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Beitrag vom 01.09.2003
Salt
Jana Scheerer
Ein Film für alle, die im heißen Berliner Sommer von der Einsamkeit und Kühle Islands träumen. Doch Vorsicht: Auch in einer atemberaubend schönen Landschaft können Menschen am Leben verzweifeln
Hildur ist zwanzig und arbeitet in einer Fischfabrik in einem kleinen Ort an der Ostküste Islands. Auch ihre Mutter und ihre Schwester Svava sind dort angestellt. Doch Svava kann das monotone, aussichtslose Leben nicht ertragen - sie möchte nach ReykjavÃk gehen.
Dieser Wunsch ist für Hildur eine Bedrohung, denn Svava und deren Freund Aggi sind ihre einzigen Freunde. So steht die ganze Familie durch Svavas Pläne unter einer Spannung, die sich immer wieder in kurzen Ausbrüchen entlädt. Häusliche Szenen wechseln sich mit Aufnahmen in der sterilen Atmosphäre der Fischfabrik ab.
Fast überrascht die Besorgnis und das Verständnis zwischen den Figuren. So akzeptiert die Mutter die Entscheidung Svavas, fortzugehen, während Svava sich Sorgen um die zurück bleibende Hildur macht. Hildur wiederum sorgt sich um ihre einsame Mutter.
Schließlich geht Svava tatsächlich und lässt Hildur und Aggi zurück. Die entscheiden sich, ihr zu folgen, und zwar in Aggis altem Wagen. Der gibt - wie könnte es anders sein - nach einem Teil der Strecke den Geist auf. So warten Hildur und Aggi auf die Reparatur des Wagens, die sich immer weiter herauszögert.
In dieser Zeit entwickelt sich die Beziehung zwischen den Beiden von einer Zweckgemeinschaft zu einer tieferen Bindung. Stellt am Anfang noch Svava ihr Hauptbindeglied und Kommunikationsthema dar, so emanzipiert sich im Laufe der Reise ihr Verhältnis zu einer eigenständigen Freundschaft.
Für Hildur ist es mehr als das: Sie muss feststellen, dass sie sich in Aggi verliebt hat. Als es ihr gelingt, ihn zu verführen, erkennt sie, dass sie nicht aus der Öde des Landlebens, sondern aus dieser Konstellation ausbrechen muss.
Wie ein Refrain unterbrechen Aufnahmen von schwimmenden Seehunden immer wieder die Handlung. Regisseur Bradley Rust Gray verwob so eine bekannte isländische Legende in den Film und verlieh ihm so eine fast märchenhafte Komponente, die im starken Kontrast zu seiner stilistischen Realitätsnähe steht.
Alle Schauspieler sind Laien. Ihnen lag kein fertig ausformuliertes Drehbuch vor, es wurde vielmehr nur kurz der Inhalt der Szene skizziert. Heraus kommen extrem glaubhafte Dialoge, die in ihrer knappen Form jedoch nie ins Alltagsgeschwätz abrutschen. Der quasi-dokumentarische Charakter wird durch Handkameraaufnahmen unterstützt. Dabei wird es manchmal mit dem Wackeln fast übertrieben: Erstens kann das zu Übelkeit im Zuschauerraum führen, und zweitens nimmt es in seiner Künstlichkeit etwas von der Unmittelbarkeit des Filmes wieder zurück.
"Salt" ist bestimmt kein entspannender Samstagabendschinken - doch für Islandfans mit Interesse für Kino jenseits der Konventionen bestimmt zu empfehlen.
Salt
Bradley Rust Gray
Island, USA 2003
Mit Brynja Thóra Gunadóttir, Davi Örn Halldórsson, Melkorka Huldudóttir
90 Minuten, 4.September 2003
OmU